Schreibwettbewerb 2019
Prämierte Texte 2019 „Happy Birthday Eiserner Steg!“
Mit rund 40 Einsendungen machte sich die VHS-Jury des Schreibwettbewerbs an die Arbeit der Auswahl. So vielfältig wie erhofft, waren die Texte und Gedichte. Vier wurden mit VHS-Kursgutscheinen im Wert von insgesamt 275 Euro prämiert. Sechs weitere Einreichungen schafften einen Platz auf die Shortlist.
Es gab in diesem Jahr nur eine einzige Vorgabe: Erzählen Sie vom prominenten Frankfurter Geburtstagskind, das im September 2019 150 Jahre alt wird! Die Erzählmöglichkeiten sind vielfältig: Eine historische Betrachtung über den Bau der Brücke. Eine autobiografische Episode. Eine Geschichte von Glück und Leid der Liebesschlösser am Geländer. Ein Mord geschieht bei Nacht, eine Verabredung wird verpasst, ein Maler malt ein Bild, ein Ring wird ins Wasser geworfen … Viel kann geschehen von Hippdebach nach Drippdebach. Oder lassen Sie sich von Homers Zitat aus der Odyssee inspirieren: „Auf weinfarbenem Meer segelnd zu anderssprachigen Menschen.“
Die Jury bestehend aus Sonja Rudorf, Friederike Giley, Pete Smith und Miriam Claudi von der VHS, gratuliert den diesjährigen Preisträgerinnen und dem Preisträger.
Die Gewinnertexte 2019 (PDF) können Sie sich hier herunterladen.
Auf dem Foto v.l.n.r.: Gloria Frink, Dr. Matthias Wolf, Sonja Rudorf, Elisabeth Lindau und Eva Seifried
1. bis 3. Platz (Begründung der Jury)
1. Platz: Elisabeth Lindau „Irreversible Strukturveränderungen“
Für ihren Einstieg wählt die Autorin eine ungewöhnliche Perspektive: Unter uns das weite Meer zwischen Südamerika und Europa. Aus dieser Höhe wird alles ganz klein, auch enorme Distanzen wie jene zwischen Venezuela und Deutschland, zwischen Caracas und Frankfurt am Main, sind wie im Flug zu überwinden.
Der Satellitenblick ist ein origineller, ein mutiger und der gelungene Einstieg in eine Geschichte, in der es genau darum geht: große Distanzen und Grenzen zu überwinden. Im Verlauf ihrer Geschichte hält die Autorin diese Kameraperspektive konsequent bei, wodurch sie ihre beiden Protagonisten wechselweise heranzoomen und diskret sich selbst überlassen kann. Dies schafft einmal Nähe und darauf wieder Distanz, so wie es für ein erstes Kennenlernen zweier junger Menschen aus verschiedenen Kulturen passend erscheint. Mit diesem Wechselspiel korrespondiert auch der Ton, aus der Entfernung nüchtern und aus der Nähe sehr poetisch daherkommt.
Der Jury ist es leicht gefallen, diese mutige, berührende und klug durchkomponierte Erzählung mit dem 1. Preis zu honorieren.
2. Platz: Eva Seifried „Am Ende der Brücke“
Dieser literarisch fein und präzise gearbeitete Text besticht u. a. durch eine knappe, schnörkellose Sprache, der es gerade dadurch gelingt, eine Atmosphäre zu vermitteln, die gekennzeichnet ist von Anspannung, Kälte und dem Gefühl der Endzeitlichkeit. Erzählt wird hier aus den letzten Kriegstagen von 1945, aus der Perspektive eines technischen Notdiensthelfers, kurz vor der Sprengung des Eisernen Stegs.
Die klug kalkulierte sprachliche Sparsamkeit vereint sich spannungsreich mit einer fein beobachteten Nuancierung des Menschlichen. Psychologisch stimmige Charaktere erscheinen uns sowohl durch deren behutsame, von Mitgefühl und Erschöpfung gekennzeichnete Kommunikation, als auch durch bewusst platzierte Auslassungen in den Dialogen, besonders authentisch und glaubwürdig.
Es ist der Autorin gelungen, auf kurzer Stecke eine dramatisch dichte Geschichte zu verfassen und dabei gekonnt und unaufdringlich geschichtliche Fakten einzuweben, ohne die erzählerische Ebene zu verlassen. Und das ist etwas, das nur einer Autorin gelingen kann, die über ein bemerkenswertes, literarisches Gespür verfügt.
3. Platz: Gloria Frink „Das Geheimnis"
Auf die Idee kommt es an – ganz besonders bei der Schriftstellerei – denn schöne Worte allein machen noch keine lesenswerte Geschichte!
Ganz in diesem Sinne hat Gloria Frink uns eine federleichte hübsche kleine Episode verfasst, die zuerst ganz sachlich und historisch daherkommt, sich dann aber wandelt und den Boden der altbekannten Tatsachen über unseren eisernen Jubilar am Main verlässt. Oder sollte man besser sagen „entschlüpft“? Denn die Wendung ins Fabulieren vollzieht die Autorin so geschickt, als manövriere sie ein kleines Ruderboot an einem blauen Schönwettertag. Und schon hat sie uns gepackt mit ihrem Geheimnis um die goldene Brücke. Nebenbei flicht sie so manche kleine Spitze über Frankfurts Geschichte und Charakter in den Text. Und so schillert das feine Gebilde im Zeitenglanz der 150 Jahre von damals bis heute.
Mit diesem so charmanten wie kurzen Text hatte Gloria Frink leichtes Spiel mit der Jury.
3. Platz: Matthias Wolf „Ex-Schneewittchen und Schnabeltasse oder die zweite Attacke"
Eine gelingende Liebesgeschichte in zehntausend Zeichen zu schreiben, verlangt Können und erfordert Mut. Von beidem ist in der Geschichte von Matthias Alexander Wolff reichlich vorhanden.
Herrlich erfrischend und schwungvoll erzählt Wolff von einer ungewöhnlichen Begegnung zwischen dem schrecklich schüchternen Hermann-Joseph und einer schneewittchenhaften Schönheit, die ausgerechnet an einem Frankfurter Fahrkartenautomaten ihren Anfang nimmt. Dabei funkelt gleich der erste Satz in der für diese Geschichte so typischen Mischung aus Poesie und Ironie. Gerade die Erzählhaltung, die uns das Geschehen wie ein kleines Theaterstück in drei Szenen erzählt, verleiht der Geschichte ihren Zauber. Das Paradox, von einer entflammten Liebe im allerhumorvollsten Ton zu erzählen, beherrscht Wolff, ohne die Protagonisten bloßzustellen. Ja, er bringt sie der geneigten Leserschaft nicht zuletzt wegen jenes virtuos eingesetzten Stilmittels der Ironie nahe.
Wer hat sich nicht schon einmal in aberwitzige Phantasien verstiegen, während er seinem Gegenüber ein gleichgültiges Antlitz präsentierte? Psychologisch fein ist eben jener uns allen bekannte Vorgang von Wolff in einer originellen Geschichte gezeichnet, die auch mit dem überraschenden Ende nicht den Humor und die Leichtigkeit verliert, die sie auszeichnet.
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